Gastartikel auf dem ZHAW-Blog KI-Trends, Avatare und der unsichtbare ökologische Preis

Gastartikel auf dem ZHAW-Blog: KI-Trends, Avatare und der unsichtbare ökologische Preis

Originalveröffentlichung auf dem ZHAW-Blog für Marketing Management Link zum Originalartikel

Digitale Avatare, animierte Alpenpanoramen und ein wachsender ökologischer Fussabdruck – was auf den ersten Blick verspielt und harmlos wirkt, hat eine unsichtbare Schattenseite. Der aktuelle Hype rund um KI-generierte Bilder, Selfie-Figuren und Ghibli-Ästhetik zeigt nicht nur, wie kreativ Nutzer:innen mit Tools wie ChatGPT umgehen – sondern wirft auch ernste Fragen zur Nachhaltigkeit auf.

Von der Blisterverpackung zum Viral-Hit

Ob LinkedIn-Feed oder Instagram-Story – wer sich in den letzten Wochen auf Social Media bewegte, begegnete mit grosser Wahrscheinlichkeit einer neuen Form der Selbstdarstellung: Der eigene digitale Avatar, stilisiert als Actionfigur in Plastikverpackung. Was mit einem einzelnen kreativen Posting begann, wurde rasch zum viralen Phänomen – angeheizt durch die neuen Möglichkeiten des GPT-4o-Modells von OpenAI.

Statt mühseligem Basteln in Grafikprogrammen genügt heute ein einziger, gut formulierter Prompt – und ChatGPT liefert auf Basis von DALL·E-Integration erstaunlich realistische Bilder. Die neue Leichtigkeit der Bildgenerierung verführt: Was früher Stunden dauerte, geht nun in Sekunden.

Doch diese neue Leichtigkeit hat einen Preis.

Prompt, Klick – CO₂: Wenn Kreativität Emissionen erzeugt

Hinter jeder einzelnen Bildausgabe laufen im Hintergrund energieintensive Prozesse: Tausende GPUs arbeiten parallel, gespeist von Rechenzentren, deren Strombedarf in die Höhe schiesst. Laut ersten Berechnungen verursacht eine einzelne ChatGPT-Anfrage durchschnittlich 4.32 Gramm CO₂ – bei Milliarden Anfragen pro Monat ergibt das eine ernste Umweltbelastung.

OpenAI selbst nutzt für seine Modelle laut Schätzungen rund 30’000 GPUs täglich, was Emissionen von bis zu 43 Tonnen CO₂ pro Tag bedeuten kann – vergleichbar mit 3’500 Autofahrten. Damit ist klar: Auch digitale Kreativität ist nicht emissionsfrei.

Ghibli-Ästhetik in Graubünden – und die Welle der Kritik

Neben den Actionfiguren avancierte ein zweiter Stil zum Social-Media-Liebling: Der ikonische Look des japanischen Animationsstudios Studio Ghibli. Berge, Wiesen, Selfies – alles wurde durch KI-Filter gejagt, bis sogar touristische Organisationen wie Graubünden Tourismus mitmachten: „So sieht der Sommer in Graubünden im Ghibli-Stil aus“, titelte ein Post auf Instagram.

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Bildquelle: Graubünden; So sieht der Sommer in Graubünden im japanischen Ghibli-Style aus. Wer erkennt die Sehenswürdigkeiten? (Instagram) https://www.instagram.com/p/DH_fl0WKcs9/?img_index=1

Die Reaktionen? Gemischt. Zwischen Begeisterung für die kreative Ästhetik und kritischen Stimmen à la „Graubünden braucht keine KI, um schön zu sein“ zeigte sich ein wachsendes Unbehagen: Wo endet spielerische Gestaltung – und wo beginnt Greenwashing durch Technologie?

Versteckter Ressourcenhunger: Strom, Wasser, Server

Was oft vergessen geht: Auch das Training von KI-Systemen ist ökologisch relevant. Laut einer Studie der University of California, Riverside, kann das Training eines einzelnen Modells wie GPT mehrere Millionen Liter Wasser verbrauchen – genug, um hunderte Fahrzeuge herzustellen. Der Grund? Kühlung. Die enorme Hitze der Chips muss permanent heruntergeregelt werden – meist mit Wasser.

Auch das MIT warnt in einem aktuellen Bericht: KI könnte bis 2027 weltweit mehrere Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr benötigen – mehr als der gesamte Verbrauch von Dänemark. Und dabei sind wir erst am Anfang der Entwicklung.

Nachhaltigkeit – der blinde Fleck der Digitalbranche

Während im politischen Diskurs Sanierungen, Elektromobilität und Ernährung diskutiert werden, bleibt die digitale Infrastruktur auffällig unerwähnt. Serverräume gelten fälschlicherweise als „immateriell“ – dabei sind sie reale Verbraucher von Energie, Wasser und Fläche. Und obwohl die Schweiz einen hohen Anteil Wasserkraft im Strommix aufweist, wird in Spitzenzeiten auch hierzulande auf fossile Energie zurückgegriffen.

Der Importstrom, den viele Cloudanbieter beziehen, stammt zudem oft aus Ländern mit deutlich schlechterer Energiebilanz. Kurzum: Der grüne Anstrich vieler KI-Projekte hält einem Nachhaltigkeitscheck kaum stand.

Green UX: Klimaschutz fängt im Code an

Was tun? Neben der Infrastruktur liegt ein grosses Potenzial im Design digitaler Anwendungen selbst. Stichwort: Green UX. Wer Webseiten mit geringem Datenvolumen, optimierten Bildern und schlankem Code entwickelt, spart Strom – und verbessert zugleich das Google-Ranking. Denn: Schnellere Seiten führen zu geringeren Absprungraten und besserer Sichtbarkeit.

Nachhaltigkeit und Sichtbarkeit sind kein Widerspruch – im Gegenteil: Sie ergänzen sich strategisch. Wie es der Designer Yves Béhar formulierte:

„Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind die neuen Werte des 21. Jahrhunderts – Designer müssen sie in jedes Projekt integrieren.“

Fazit: Digitale Innovation braucht ökologisches Bewusstsein

Der Hype um digitale Actionfiguren, Ghibli-Ästhetik und KI-generierte Kunst ist ein faszinierendes Beispiel für die kreative Kraft neuer Technologien. Doch genau diese Faszination darf den Blick auf die ökologischen Folgen nicht verstellen. Denn was digital erscheint, hat reale Auswirkungen – im Serverraum, im Stromnetz und im globalen Ressourcenverbrauch.

Es ist Zeit, den digitalen Fussabdruck sichtbarer zu machen – und Innovation mit Verantwortung zu verbinden.

Hinweis: Dieser Artikel basiert auf dem Original-Gastbeitrag von David Bachetti und Thomas Bigliel, erschienen auf dem ZHAW-Blog für Marketing Management:
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Autor
David Bachetti
Co-Founder & CEO

Bei der Agent AGENTUR erreicht meine Passion für das Management von Web- und Marketing-Projekten ganz neue Dimensionen. Mit dem Leitspruch: «Innovation & Kreativität im Herzen, Digitalisierung im Blick» begegne ich jeder Herausforderung und nutze dabei das kreative und dynamische Umfeld der Agentur, um Grenzen zu verschieben.

Neben meiner digitalen Berufung ziehe ich Energie und Inspiration aus meiner tiefen Verbindung zur Natur und meinem Engagement im intensiven Sport. Dieses Gleichgewicht ermöglicht es mir, die Lebendigkeit der realen Welt ins Digitale zu transferieren.

Individuell gehe ich auf jedes Projekt ein und mit einem scharfen Auge für verborgene Potenziale setze ich stets auf Kreativität, Strategie und Struktur – mein persönliches Credo ist, immer «007 statt 08/15» zu agieren.